Anfang Oktober 2020 begann die Geschichte der Freien Linken mit einem Telegramkanal- und Chat. Daraus wurde eine im gesamten deutschsprachigen Raum mehr oder weniger präsente Bewegung, die angetreten ist sowohl die rote Fahne der Arbeiterbewegung gegen den Generalangriff der Bourgeoisie zu hissen als auch Klarheit in die polit-ökonomisch oft völlig orientierungslose größte demokratische Massenbewegung seit langem zu bringen. Das mit dem Flagge zeigen hat zweifelsohne geklappt. Beim Thema Aufklärungsarbeit und Einflussnahme auf die Bewegung muss das Fazit bisher sicherlich gemischt ausfallen.
Will man das Phänomen Freie Linke, trotz seiner großen ideologischen Spannweite im linken Spektrum von Konsumkritik bis Kommunismus, Attac bis Anarchismus, auf zwei Punkte herunter brechen, dann kann man wohl sagen, dass es sich dabei weitgehend um Linke handelt, die ihren Idealen im Gegensatz zur korrumpierten Mainstreamlinken treu geblieben sind und sich nicht mit billigen Tricks von den Herrschenden veräppeln lassen, also auch sogenannte »Verschwörungserzählungen« kritisch prüfen und diskutieren, statt von vorneherein in blindem Glauben an die Hirten der Herrschenden zu verwerfen.
Die Freie Linke bis zur Spaltung
In der Zeit vom Oktober bis zum Dezember 2020 konsolidierte sich in zahlreichen Diskussionen eine Art Grundkonsens, der schließlich am 1.01.2021 in die Veröffentlichung des »Aufrufs der Freien Linken« mündete. Neben der selbstverständlichen Ablehnung und Bekämpfung der antidemokratischen Politik der Herrschenden unter dem Deckmantel der Pandemieinszenierung bestand der Konsens nach innen darin, eine Sammlungsbewegung aller Richtungen des gesamten linken Spektrums zu sein. Nach außen bestand der Konsens darin, eine Volksfrontstrategie zu fahren, also gemeinsam mit bürgerlichen und konservativen Kräften zu kooperieren. Im Grunde bestand der Konsens also aus einer doppelten Zurückweisung des Sektierertums und war letztlich durch die Situation vorgegeben. Das Scheitern sämtlicher etablierter linker Tendenzen bedingte, dass ungebundene Genossen frei wurden, die sich hinsichtlich der Positionierung gegen die Corona-Politik neu versammeln mussten. Zugleich konnte es angesichts der ideologischen Marginalität innerhalb des Massenprotests sowie vor allem der massiven Attacke auf die Gesamtbevölkerung kaum eine andere Haltung als die der Volksfrontstrategie geben, zumal von einer organisierten – und oppositionellen! – Arbeiterbewegung ohnehin keine Rede mehr sein konnte.
Durch die Veröffentlichung und Verbreitung des Aufrufs der Freien Linken gewann die FL dann auch zahlreiche Mitstreiter, die die bereits in Ansätzen vorhandenen regionalen Strukturen mit Leben füllten. Ende März 2021 trat die Freie Linke dann erstmals mit ihren roten Fahnen öffentlich auf einer Demonstration in Kassel auf. Aufgenommen wurden diese mit einer Mischung aus Erleichterung und Tadel: Vom »Endlich seid ihr auch dabei!« zum »Wo wart ihr denn bloß?« Teilweise und angesichts der damals sich abzeichnenden und inzwischen chronisch gewordenen Führungskrise der Demokratiebewegung, traf man gar auf die nicht wenig verbreitete Ansicht, dass jetzt die Freie Linke am Ball sei und den Protesten mehr Struktur und Klarheit zu geben hätte.
Es erwies sich leider, dass die Freie Linke dazu aus mehreren Gründen zu keiner Zeit in der Lage war. Zuallererst hatte sie im Unterschied zu den Querdenkern oder anderen nie finanzielle Mittel, keine mediale Reichweite und auch personell mangelte es ihr sowohl an Aktivisten für die Bühne als auch an Theoretikern und Organisatoren im Hintergrund. Sie war also in allen Belangen zu schwach. Hinzu kam, dass im März 2021 der Hauptfokus im Abwehrkampf gegen die »Lockdowns«, Ausgrenzung und Impfterror bestand und dahinter generelle Systemkritik und das Aufzeigen einer sozialistischen Alternative schlichtweg nicht auf der Tagesordnung standen.
Das hat sich inzwischen geändert, weshalb es eine den Sozialismus auf die Agenda stellende FL mehr denn je braucht. Ausschlaggebend für das Scheitern war sicherlich, dass man beim Aufbau fahrig war und zu viele den Grundkonsens nicht mittragende Leute in die eigenen Reihen aufnahm. Daran mag unter Umständen auch die strategische Ausrichtung Volksfrontstrategie, also ein Bündnis mit bürgerlichen und konservativen Kräften, ihren Anteil haben, indem sie zur dazu geführt haben mag, dass die beiden Ausgangskonsense miteinander vermischt worden sind. Sprich: die äußere Bündnispolitik mit Kräften aus anderen politischen Traditionen mag mit dem Ansatz der Neuaufstellung und Formierung einer genuin der Tradition der Arbeiterbewegung verpflichteten Linken ursächlich für den Fakt darstellen, dass wirklich apolitische oder offene Nichtlinke sich zur FL haben hingezogen gefühlt. Manche böse Zungen meinen bis heute, die Freie Linke sei in der Protestbewegung nur als Feigenblatt willkommen, um gegen die Diffamierung der Bewegung als rechts alibimäßig auf ein paar rotbeflaggte Zweibeiner zeigen zu können.
An dieser Stelle sei eine selbstkritische Zwischenfrage gestattet:
Und zwar kann man sich fragen, ob der eigentliche Misserfolg vielleicht daraus resultierte, mit einer solchen Volksfrontstrategie begonnen zu haben? Ob die Denkmuster nicht einfach anachronistisch, aus der Zeit gefallen sind, die zu dieser Konzeption motivierten? Denn historisch gesehen setzt eine Volksfrontstrategie eine bereits gefestigte, starke und organisierte marxistische Organisation voraus, die die Volksfront bildet und anführt oder zumindest mit dem Ziel eingeht, sie anzuführen oder stark zu beeinflussen.
Zurück zur internen Komposition:
Der hohe Anteil an Antikommunisten, ob im bürgerlichen oder linksradikalen Gewand, führte dazu, dass sich praktisch seit Beginn an verschiedene Lager herausbildeten. Das machte die Konzeptionierung des ideologischen und öffentlichen Auftritts schon von Beginn sehr schwierig. Als man dann dennoch schon wichtige Schritte zu einer Koordination der dezentral sich herausbildenden Strukturen gegangen war, brach die FL dann in der Führungsebene auseinander. Da nach so kurzer Zeit noch keine mit Statuten versehene Organisation vorhanden sein konnte, die grundlegenden Ursachen des Zwists so tief lagen, dass sie auch durch formales Prozedere kaum hätten geregelt werden, konnte und musste die FL beinahe zerbrechen bevor sie sich ansatzweise hat festigen können. Dies geschah dann bereits im Sommer 2021.
Die Spaltung der Freien Linken
Durch die monatelange, praktisch von Beginn an gegebene und der Spaltung vorausgehende Paralyse einer ansatzweise in Entwicklung begriffenen zentralen Koordination, begannen die verschiedenen regionalen Gruppen schon länger sich mehr auf die Arbeit vor Ort zu konzentrieren. Dies bewahrte die Freie Linke in personeller und organisatorischer Hinsicht letztlich vor dem Verschwinden und steigerte weiter regional ihren Bekanntheitsgrad. Andererseits bedeutete dies ganz sicher eine Schwächung der FL als gesamtpolitisch ernstzunehmender gesellschaftlicher Kraft.
Das Falsche an der Spaltung war allein ihr Zeitpunkt sowie die stümperhafte und unüberlegte Art ihrer Durchführung. Sie hätte als Klärung schon unmittelbar mit dem Aufruf vom 1. Januar 2021 vollzogen werden sollen. Die Spaltung selbst war aus mehreren Gründen wichtig und richtig. Erstens beendete sie die Paralyse, die unweigerlich zum Versanden der FL geführt hätte. Der Preis waren Konfusion, Irritation und Verlust eines einheitlichen und koordinierten Auftretens. Zweitens wendete sie das Versumpfen der FL in bürgerlicher antikommunistischer Ideologie ab und ermöglichte mit dem Aufbau der Freien Linken Zukunft eine verschiedene Traditionen versammelnde Gruppierung mit eindeutig sozialistischem Charakter. Diese greift zusammen mit dem aufgesetzten Netzwerk Linker Widerstand vor allem durch den Aufbau der Publikation MagMa – Magazin der Masse, die inzwischen von einigen sogar als das Aushängeschild der linken maßnahmenkritischen Bewegung gesehen wird, sowie das Aussenden von Flugblättern, Reden und anderen Aktionsformen in die Proteste ein.
Der eigentliche Fehler aber lag nicht so sehr in der Spaltung und der ungehobelten Art ihrer Durchführung, sondern im Versagen, die Gründe der Spaltung den vielen Genossen und Sympathisanten der Freien Linken klar darzulegen und ihre organisatorische und ideologische Notwendigkeit ausreichend genug begründet zu haben. Für die Konfusion und das Zurückwerfen der Formierung konstruktiver Kräfte müssen sich die Verantwortlichen den Hut aufziehen und zurecht kritisieren lassen. Mehr Offenheit und Transparenz hätte hier sicherlich gut getan und den Formierungsprozess einer klar linken FL nicht so weit zurückgeworfen, wie es nun passierte.
Gleichwohl ist zu sagen, dass die Handlungen einzelner in einem Umfeld stattfanden, das von wenigen Personen gezielt vergiftetet wurde. Diese Zersetzer spitzen die Lage zu, trieben sie zur Eskalation und wollten aus der ideologischen Spaltung Profit ziehen, um eine Spaltung zu ihren Gunsten anzustreben. Die Aktivitäten dieser wenigen Zersetzer, die, so sollte sich zeigen, später auch die abgespaltene FL weiter zersetzten sollten, tangierten die meisten nicht, beziehungsweise trauten sich die meisten nicht gegen diese vorzugehen. Vor diesem Hintergrund bestand eine für die Akteure sehr unklare Lage über die Kräfteverhältnisse. Die Lage ist so eskaliert, dass sich diejenigen, die sich in der FLZ versammelt haben, schlichtweg vor keiner anderen Alternative mehr sahen als die offen zerstörerisch agierenden Personen zu isolieren. Lieber eine organisatorische Spaltung als eine fortwährende lähmende Spaltung der Organisation. Im Nachhinein hat sich das als durchaus vernünftig und richtig herausgestellt. Inzwischen sehen das auch viele so, die zunächst arg mit der FLZ haderten. Dennoch ist die Sache alles andere als gut begründet worden, wir erwähnten es bereits.
Seit der Spaltung
Seit der Spaltung hat sich immer klarer gezeigt, wer wirklich Interesse am Aufbau einer echten oppositionellen Kraft innerhalb des FL-Milieus hatte und hat, und wer nicht. An ihren Taten, meist an dem, was nicht getan wurde, konnte und kann man sie erkennen. Die Handvoll zerstörerischer Elemente sind bekannt und inzwischen oftmals nicht nur in der FLZ, sondern auch in der FL weitgehend isoliert, wenn auch sicher nicht in Gänze.
Es gibt Gruppen aus dem Milieu der Freien Linken – Österreich und die Schweiz stehen hier nicht zur Debatte – in Aachen, Augsburg, Berlin, Bremen, Erfurt, Halle, Hamburg, Hannover, Leipzig, Frankfurt, Freiburg, Marburg, München, Nürnberg, Stuttgart, Potsdam, im Ruhrgebiet und einzelne Kleingruppen und Sympathisanten sowieso im ganzen Bundesgebiet.
Die meisten Gruppen haben personell die Spaltung nicht nach- oder mitvollzogen. Diese spielt sich eher im »Überbau« ab, also hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung, aber auch den Telegramstrukturen und Websites, usw. De facto sitzen die Leute wie einst in Russland beisammen, egal ob Menschewiki oder Bolschewiki, um einen leider etwas hinkenden Vergleich zu ziehen. Die Strukturen der Freien Linken haben sich derweil im Gegensatz zur Freien Linken Zukunft noch mehrmals gespalten und in regionale Gruppen wie ideologische Orientierung aufgeteilt. Aber auch hier gibt es vor Ort meist weiterhin Kooperationen und Überschneidungen. Die Spaltung also ist im Endeffekt personell und organisatorisch nicht unbedingt als solche zu bezeichnen. Es gibt das entstandene »Milieu Freie Linke« also nach wie vor, das trotz aller Unterschiede nicht vergessen hat, wo der Hauptfeind steht, sich aber eben, wie skizziert, auf mehreren überlappenden Ebenen ausdifferenziert hat: organisatorisch, ideologisch, aministrativ-technologisch, regional, namentlich, usw.
Diese Gruppen werkeln meistens unabhängig voneinander hin, so gibt es inzwischen zahlreiche Hompages, Telegramkanäle, Social-Media-Accounts, die mal gut, meist weniger gut betrieben werden. Das gibt nach außen ein entsprechendes Bild ab und stellt eindeutig die mangelnde Organisiertheit und völlige Abwesenheit von Koordination wie Bündelung der ohnehin mauen Kapazitäten unter Beweis. Dementsprechend wachsen die meisten Gruppen auch kaum, geben sich oft in ihrem Zirkelwesen zufrieden und scheinen vor größeren Ambitionen zurückzuschrecken. Programmatische Impulse sowie Statements zur aktuellen gesellschaftlichen Lage kommen in Deutschland eigentlich fast nur von der Freien Linken Zukunft wie in weniger klarer Form von der FL Halle, manchmal von den Berlinern und Aachenern. Die ideologische Bandbreite ist dabei recht weit: wirklich sozialistisch erscheint auf den ersten Blick lediglich die FLZ, bei den vielen anderen Gruppen bleibt das eher unklar, was wiederum nochmal die Gründe der damaligen Ausdifferenzierung qua Abspaltung unterstreicht.
Denn letztlich, das sei an dieser Stelle unbegründet in den Raum gestellt, hat eine oppositionelle Linke eine Daseinsberechtigung nur mit klar sozialistischer Orientierung. Alles, was dahinter zurück fällt, ist so obsolet wie die antikommunistische Linkspartei. Die Freie Linke kann nicht wie die Partei die Linke sein, sich nur hinsichtlich Bandera & Carola unterscheiden.
Zwischenfazit
Die Freien Linken haben nicht wenig erreicht. Ihre Fahnen sind im ganzen Land zu sehen. Es gibt in beinahe allen größeren Städten Anlaufstellen. Dass die Linke versagt habe, kann man nicht mehr so einfach behaupten, wie dies manch dubiose Figuren wie Anselm Lenz tun, der die FL schlichtweg nie erwähnt, um stattdessen gezielt Leute in von Neonazis geleitete Strukturen wie zum Beispiel die Freien Sachsen lockt.
Die Freie Linke ist inzwischen ein Begriff geworden, die vielen Angriffe aus der kollaborationistischen Linken sind bester Beweis. Man hat vor Ort Strukturen geschaffen, Publikationen aufgebaut, wovon die MagMa mit 10- bis 30-Tausend Besuchern im Monat sicher die bedeutendste ist. Die Freie Linke Zukunft hat im Rahmen des Bündnisses Netzwerk Linker Widerstand mit der FL Österreich im September eine erste internationale Konferenz veranstaltet, von der auch RT berichtete, und damit wichtige Schritte hinsichtlich der internationalen Vernetzung gemacht. Die Aachener und Hallenser sind sehr aktiv. Die Berliner FL sticht vor allem durch das organisieren ansehnlicher Demonstrationen und aktiven Interventionen hervor. Auch in Bayern und Franken gibt es erfreuliche Entwicklungen. In Leipzig war und ist die FL schon lange präsent. Das ist also nicht nichts. Dennoch könnte und müsste da nach zwei Jahren schon viel mehr sein. Momentan kann man sich die Lage schönreden, wie man will, am Feststellen einer ausgewachsenen Stagnation kommt man nicht umhin. Wird daran nichts behoben, dann droht die Freie Linke als potentielle, bitter nötige, gesamtpolitische Kraft einzugehen, bevor sie das Kindesalter erreicht.
Organisatorisch müssen unbedingt die Entwicklungen hin zu einer gemeinsamen Koordination wieder aufgenommen werden, die durch die Zersetzungs- und Spaltungsprozesse die FL im Grunde fast hinter den Ausgangsstand zurückgeworfen haben. Ohne eine bessere Organisation und Koordinierung, wird die FL als politische Kraft bedeutungslos bleiben. Das ist umso verehrender angesichts der Offensiven von AfD und anderen dubiosen antidemokratischen Organisation in der Widerstandsbewegung und dem fortgesetzten Scheitern der regierungshörigen Mainstreamlinken in der Friedens- und sozialen Frage.
Dazu gehört aber auch, dass ideologische Fortschritte gemacht werden, damit man in die aktuellen Auseinandersetzungen mit klaren programmatischen Punkten eingreifen kann. Die Konferenzteilnehmer in Prag bei der »Internationalen Konferenz der Freien Linken« waren sich weitgehend einig, dass der Widerstand überhaupt nur Sinn hat, wenn er den Kapitalismus als ganzes angreift und die Gründe dafür erläutert und erklärt. Dazu gehört aber auch, dass ein für alle mal Schluss ist mit Debatten über einen »dritten Weg« oder Dummheiten wie einer Mischform aus Sozialismus und Kapitalismus. Nur darin kann die Aufgabe der Freien Linken liegen. Wie schon in dem Text zum einjährigen Jubiläum geschrieben, eine FL, die sich nicht von bürgerlichen Widerstandsformationen unterscheidet, hat keine Daseinsberechtigung.
Die Zeit ist reif für eine forcierte Agitation für den Sozialismus. Wer ein lebenswertes Leben in diesem Land führen will, für den ist die Einführung des Sozialismus inzwischen unumgänglich. Als Alternative bleibt grüne, schwarze, blaue oder gelbe Verarmung, Krieg und Chaos. Es gibt schlicht keine Wahl mehr. Wer das nicht kapiert hat, ist ein Schlafschaf im Widerstand.
Unter anderen Prämissen macht ein Fortbestehen der FL keinen Sinn. Wir wiederholen: sie hat ihre Daseinsberechtigung nur, wenn sie sowohl den Coronaschwindel angreift als auch für den Sozialismus kämpft und agitiert. Sie muss den bürgerlichen und rechten Kräften in der sozialen Frage voraus sein, versuchen sich an die Spitze zu stellen, und gegenüber der kollaborierenden linken und kommunistischen Bewegung selbstredend klar machen, dass der Klassenkampf heute auch genau an der Frontlinie tobt, die die Herrschenden mit dem Corona-Coup vom März 2020 eröffnet haben.
Diesbezüglich stellen sich der FL(Z) nach wie vor zwei Aufgaben. Erstens eine Erklärung dafür zu finden, warum die Mainstreamlinke versagt hat und welche Schlüsse daraus für den Aufbau neuer linker Organisationen zu ziehen sind. Zweitens steht eine analytisch ausgefeilte, rigorose und empirisch belegte Arbeit mit theoretischen Ansprüchen bezüglich der gegenwärtigen Formen des Klassenkampfes unter den aktuellen Gegebenheiten und Entwicklungen noch aus. Zwar sind inzwischen zahlreiche, auch hochwertige Vorarbeiten geleistet worden, aber ein wirklich großer Wurf, der die Weltlage tranchiert und zugleich die treffenden praktischen Folgerungen an den Horizont malt, wie einst das Manifest oder Lenins Imperialismusschrift, bleibt nach wie vor ein Desideratum. In diesem Sinne fehlen der FLZ sozusagen, würden Skeptiker monieren, wohl kaum die Prämissen, wohl aber die Zwischenschritte von der Analyse der aktuellen Lage der Klassenkämpfe zu ihrem Schluss: Sozialismus.
Wie weiter?
Wem diese eindeutige Profilierung, die in der sehr heterogenen Freien Linken nicht allen passen wird, zu weit geht, für den könnte die aus einer Arbeitsgruppe der FLZ konzipierte »Soziale Liste Zukunft« eine Option sein, da sie dezidiert um ein soziales Minimalprogramm antritt, Sammlungsbewegungscharakter hat und keine eindeutige ideologische Festlegung zeigt.
Hinsichtlich der breiten Bewegung um die Freie Linke, wollen wir zunächst einmal alle konstruktiven Kräfte in der FL dazu aufrufen über die drängendsten Probleme der FL in Fragen der Organisation und Ausrichtung zu debattieren, um hoffentlich konkrete Schritte anzuvisieren, die die Freie Linke aus der Stagnation und Ineffektivität heraus holen.
Wir bieten für eine öffentliche Debatte die MagMa als Austragungsort an und hoffen zugleich, dass die interne Debatte, sollte sie erwünscht sein, in passenden Rahmenbedingungen stattfinden können wird.
Vorwärts
Wir Linken sollten endlich die Angst vor der eignen Courage überwinden. Wir werden nicht ernst genommen, wenn wir vorgeben links zu sein, aber dann herumdrucksen oder aus Angst vor der mit Antikommunismus gehirngewaschenen Meinungsmache nicht sagen, was wir wollen. Was aus einer Linken wird, die ihr Wesen verleugnet, sieht man heute an der Partei die Linke, die sich die letzten dreißig Jahre dafür feierte, den Antikommunismus zur Parteidoktrin erhoben zu haben. Sie marschiert im Stech- und Gleichschritt die Arbeiterklasse verratend und verkaufend mit dem deutschen Imperialismus nach weit rechtsaußen!
Diese Art von Selbstverleugnung und folgliche Rechtsentwicklung der deutschen Linken hat dazu geführt, dass viele heute im Grunde richtige Forderungen in der von der Linken gelassenen Leerstelle von vermeintlich Rechten oder sogenannten Patrioten ins Feld geführt oder von der Presse einfach als rechts und damit unmöglich verunglimpft werden, obwohl nicht selten durchaus genuin linke, antiimperialistische und soziale Inhalte sich darunter verbergen, wenngleich sicher teilweise unter widerwärtigem, dem Überbau entsprungenen und wegzuwischenden chauvinistischem Schimmel. Da die Strukturen der Rechten gut ausgebaut sind, konnte sie es zum Teil schaffen, diese Unzufriedenen mit teils vernünftigen sachpolitischen Parolen gemischt mit abstoßender und gefährlicher Sündenbockpropaganda an sich zu ziehen.
Aber wir wissen es alle: die Labels sind verrutscht. Hinter einem Linken kann – muss aber natürlich nicht – heute ein Rechter stecken und umgekehrt. Das kann man nur in der Agitation herausfinden, nicht vorab einfach für gegeben nehmen.
Diese Gemengelage aber macht es, dass die wirklich ökonomisch und ideologisch weit Rechten sich nicht mal über die vermeintliche eigene Gefolgschaft sicher sein können. Die Rechten sind zwar publizistisch und organisatorisch stark und oft gut vernetzt, aber ideologisch und intellektuell sind sie beschränkt. Wer glaubt denn heute, mit einem »Ausländerstopp« oder einem »Zurück zur deutschen Scholle« seien heute auch nur irgendwelche Probleme gelöst? Wer wird denn für eine Verschärfung des Neoliberalismus oder utopischen Kapitalismus sich noch hergeben, während einem das letzte Ersparte im Zeitraffer auf dem Bankkonto verrinnt? Auch die bürgerlichen Parteien, ob in Regierung oder Opposition (siehe die APO Düsseldorf), haben keine adäquaten, erprobten und langfristig tragbaren Konzepte zu bieten.
Während die Regierung durch ihre eigene Politik immer mehr in eine militaristische Kriegswirtschaft gezwungen und gedrängt werden könnte, schwirren in der bürgerlichen Opposition nicht nur, aber auch allerhand protofaschistische Wirtschaftskonzepte herum, wie von Steiner und Diesel oder auch Proudhons kleinbürgerliche Utopie eines reinen antimonopolistischen Selbstständigenkapitalismus. Der Wiederbelebungsversuch der Ideen der sogenannten Konservativen Revolution bei Gunnar Kaiser zum Beispiel bezeugt die vollständige ideologische Einfallslosigkeit eines Bürgertums, das sich aus Angst vor dem Sozialismus erneut, und diese Farce ist leider kaum komisch, dem Faschismus zuwendet (zu den liberalen Wurzeln des Faschismus, siehe Ishay Landa). Als ob inzwischen nichts geschehen wäre und eine antifaschistische Gegenwartsbewegung ausgerechnet auf Vordenker des Faschismus zurückzugreifen hätte! Wobei der einzig konsquente Antifaschismus nun einmal nur mit dem Sozialismus zusammen gedacht werden kann, denn nur der beseitig die Ursache des damaligen wie heutigen Faschismus: den Kapitalismus.
Das Feld ist frei. Die Nachfrage ist da. Die anderen haben keine Lösungen für die Herausforderungen der Zeit. Wir müssen erkennen, dass unsere Zeit gekommen ist, so klein und marginal wir noch erscheinen. Die Situation wird von alleine reifen und den Humus für sozialistisches Gedankengut fruchtbar machen. Als aktive Verfechter dieser Idee, müssen wir nicht selbst Massen in unseren Reihen haben. Wir müssen lediglich den antikommunistischen Dreck und neoliberalen und faschistoiden Mief aus den Hirnplatten der Leute klopfen. Daraus kann ein Funke entstehen. Bis dahin brauchen wir freilich Geduld. Aber nur das kann und muss unsere Aufgabe sein: Eintreten für den Sozialismus!
Immer auf zu neuen Siegen.
Die Freie Linke Zukunft am 12. Oktober 2022
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